Vom alten Kotten zum Gartenparadies

Günnemanns Kotten e. V. bringt neues Leben ins älteste Haus des Stadtteils Witten-Rüdinghausen

Samstags ist eine gute Zeit vorbeizuschauen in Witten-Rüdinghausen. Zwischen 10 und 14 Uhr trifft man hier verlässlich die Mitglieder des Günnemann-Kotten e.V. – nicht gleich alle der insgesamt gut 100 jeden Alters, aber jeden und jede beim Anpacken – mit Hammer oder Spaten, am Haus, im historischen Gemüsegarten, im Hühnerstall oder auf der Obstbaumwiese. 

Das älteste Haus dieses Stadtteils stand lange leer und verfiel. Es brauchte einige Anstrengungen des Vereins, bis es den fast 250 Jahre alten Fachwerkhof samt 6600 m2 großem Gartengrundstück übernehmen konnte. 2019 gelang endlich die Ersteigerung. Mit großem Engagement werkeln die Mitglieder seither an der neuen Nutzung von Haus und Hof. Mithilfe von Fördermitteln, fachmännischem Support und mit ganz viel Eigenarbeit sanieren sie den Kotten, pflegen den (Gemüse-)Garten, versorgen die Hühnerschar, kümmern sich um die bereits renaturierte Brunebecke, die über das Gelände fließt, und entwickeln gemeinsam zukunftsfähige Ideen für den historischen Ort: „Der Günnemann-Kotten soll ein vielseitiger Bildungs- und Begegnungsort für Jung und Alt werden“, beschreibt Henriette Brink-Kloke das gemeinsame Ziel.

Ein Projekt von

Neue Ideen: Ein Zuhause für Groß und Klein

So soll beispielsweise das Projekt „Garten- und Küchen-Detektive“ Kindern und Jugendlichen der 4. bis 6. Klasse Wissenswertes und Praktisches rund ums Thema Ernährung vermitteln und ihnen den Weg von der Aussaat bis zum fertigen Gericht aufzeigen. Das Projekt „Auf in den Garten der Kindheit“ lädt wiederum ältere Einheimische zu einer besonderen Reise ein: Der Verein Günnemann-Kotten will ihre persönlichen Garten-Erinnerungen zusammentragen, bewahren und in einer Ausstellung präsentieren. „Wir wollen an diesem idyllischen Ort verschiedenste Veranstaltungen und Kurse anbieten und so Geschichte und Geschichten, Nachhaltigkeit und Natur erlebbar machen, Kreativität und Austausch ermöglichen – und nicht nur Hühnern, Hummeln und Habichtskraut ein neues Zuhause bieten.“ 

Jugendstil, Bauhaus – alles war dabei

Kein Vergleich mehr zu dem Bild, das die Hofstelle vor Beginn der Arbeiten bot. Inzwischen wurde das Grundstück gerodet, um die alten Strukturen im Garten wiederzufinden. Brennnesseln, Giersch und Brombeeren (letztere bis ins obere Stockwerk) verstellten Blick und Weg. Mit vereinten Kräften wurden Gebäude und Gelände auch vom Müll befreit, der leider nicht nur von der letzten Bewohnerin des Hauses stammte. Erna Wortmann hatte seit den 60er Jahren allein hier gelebt und den Hof bewirtschaftet. Ein Grund für den heute glücklichen Umstand, dass der Hof seit den 1960er Jahren keine bauliche Veränderung mehr erfuhr und in seinem historischen Aufbau erhalten blieb. Ein interessantes Detail war eine Holzwand, offenbar als Raumteiler eingebaut. Sie trug 33 Schichten Tapete. Die fachmännische Bewertung ergab, dass sie aus der Zeit zwischen den 1860er bis 1960er Jahren stammten. Tapetenwechsel alle drei Jahre also: Jugendstil, Bauhaus – alles war dabei.

 

Blick auf Haus und im Vordergrund ein Nutzgarten mit Holzzaun
Kotten im Sommer mit Nutzgarten
Jeder kann gerne vorbeikommen. Wir zeigen das ganze Gelände und erzählen von unseren Ideen und Visionen.

- Vereinsvorständin Henriette Brink-Kloke -

Kotten mit Frau Wortmann von 1994

Erinnerungen

Erna Wortmanns schöner Garten

„Einige Leute haben uns erzählt, wie schön der Garten damals aussah, als Frau Wortmann hier noch lebte“, so Henriette Brink-Kloke, die als ehemalige denkmalpflegende Archäologin im Günnemann-Kotten ein Herzensprojekt gefunden hat, in dem sie ihre Interessen wunderbar vereint. Gefunden wurden neben zwei alten Rhabarberstauden tatsächlich auch die alten Wege im Garten, teilweise gesäumt von verkehrtherum in den Boden gesteckten Flaschen als Begrenzung mit Bodenstempeln um 1930. Luftaufnahmen ab den 1920er Jahren bestätigten die Funde. 

Dem Rat eines Biobauern folgend verschwand die rund 450 m2 große Gemüsefläche erstmal eine Vegetationsperiode unter Silofolie. Auf den ersten 100 m2 ging es im nächsten Frühjahr los: umgraben, Beete anlegen und erstes Gemüse pflanzen. Seit drei Jahren schon wird nun gepflanzt, gesät und fleißig geerntet.

Der Kotten direkt an der Brunebecke gelegen. Foto: M. Salzmann
Gruppe von menschen stehen an einem Verkaufstisch mit Pflanzen
Markt am Kotten. Foto: M. Salzmann
Kottenleuchten im Winter. Foto: S. Assmann

Hand in Hand unter Anleitung der Fachleute

Parallel wurde mit Fachleuten die Sanierung des Hauses geplant und ein Baumeister gefunden: Unter seiner Anleitung wurden von den Vereinsmitgliedern die Backsteine der Ausfachungen entfernt und nach der Sanierung der Holzkonstruktion mit Lehmspeis auch wieder eingebaut. Gleiches Verfahren beim Dach: Von Hand zu Hand weitergegeben, wurden die Ziegel von den ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern vom Dach geholt und nach der fachmännischen Sanierung des Dachstuhls auch wieder aufgelegt. Die Fenster arbeitete eine Fachfirma auf. Derzeit läuft der Innenausbau: Wände verputzen (natürlich auch mit Lehm), Fußböden, Heizung, Elektrik…

Historische Ansicht des Kottens aus dem Jahr 1938.

Denkmalschutz und Recycling

Henriette Brink-Kloke beschreibt, was allen bei der Sanierung wichtig ist: „Unser Kotten steht unter Denkmalschutz. Wir wollen und müssen also so viel wie möglich originale Substanz erhalten. Ist das nicht möglich, recyceln wir. Zum Beispiel sind die morschen Dielen für Beetumrandungen immer noch gut. Oder wir verwenden recycelte Materialien wie Glasschaumschotter für die Dämmung des Fußbodens.“

Auch der Kalender ist schon gut mit vielfältigen Programmpunkten gefüllt: Workshops zum Frühlingskränze binden, Batiken oder Handarbeiten im Grünen, Pflanzenbörse, Picknick oder Kottenleuchten in der Vorweihnachtszeit. Auch außerhalb des Hofes sind die „Günneleute“ gelegentlich anzutreffen, etwa bei der Saatgutbörse in Witten.

Wir sind der Kotten: Der Verein und seine aktiven Mitglieder. Foto: M. Salzmann

Günnemann-Kotten e.V.

Teil einer Gemeinschaft mit vielen Ideen

Viele schätzten vor allem die Gemeinschaft, die entstanden ist und in die sich auch neue Mitglieder schnell einfügen, erzählt Henriette Brink-Kloke. Jeder helfe, wo und wie er oder sie eben kann, sitzt mit den anderen zusammen beim Kaffee, unterhält sich – und nach zwei, drei Treffen ist es, als würde man schon immer dazugehören.

Nächstes Projekt ist ein Anbau: Zwischen dem alten Fachwerkgebäude und dem künftigen Sanitär- und Heizungsraum entsteht ein ca. 35 qm großer, offener und gläserner Raum. Mit seinem trapezförmigen Grundriss öffnet er sich zum Innenhof und zur Außenterrasse. Hier haben die Menschen aus Rüdinghausen und den benachbarten Stadtteilen die Möglichkeit, Vorträge, Kurse, Kulturveranstaltungen u.v.m. zu organisieren und zu besuchen. Kaffeerunden und kleine Feiern fördern Kontakte und Gemeinschaftsgefühl. Die Baugenehmigung ist schon erteilt, zurzeit laufen die Detailabsprachen mit dem Architekten.

Auch dafür werden wieder viele helfende Hände gebraucht. Also nächsten Samstag zwischen 10 und 14 Uhr: Auf zum Günnemann Kotten in Witten Rüdinghausen!

www.guennemann-kotten.de